„aufgschaut“
ein Polizeikurs für Grundschüler zur Selbstbehauptung und Zivilcourage
In den Medien hört, sieht und liest man oft Appelle, mehr Zivilcourage zu zeigen. Darunter wird eine Verhaltensweise verstanden, durch die man seinen Unmut über bestimmte Situationen äußert, ohne direkt auf eventuell eintretende Nachteile für sich selbst zu achten.
Es bedeutet: hinsehen, nicht wegsehen. Sich einmischen und handeln, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen!
Durch bloße Appelle lässt sich Zivilcourage jedoch leider nicht in größerem Umfang etablieren. Die Forschung weiß, dass es dazu konkreter Programme und eines praxisorientierten Trainings bedarf. Dieses Wissen haben das Kommissariat für Verhaltensprävention und Opferschutz vom Polizeipräsidium München und der Lehrstuhl für Sozialpsychologie der Ludwig-Maximilians- Universität München genutzt, um ein anschauliches und handlungsorientiertes Programm zu
entwickeln.
„aufgschaut“
Und an diesem Punkt setzt „aufgschaut“ an. Es bedeutet: hinhören und handeln.
Die Kinder sollen sensibilisiert werden für Gewaltsituationen, Opfer von Gewaltsituationen und Ungerechtigkeiten, nicht nur in ihrer Klasse, und dabei bestärkt werden einzugreifen. Gleichzeitig bekommen die Kinder die Sicherheit, dass sie sich selbst helfen können, weil sie sinnvolle Handlungsmöglichkeiten in Gewaltsituationen „erprobt“ haben.
Der Kurs berücksichtigt sowohl direkte, als auch indirekte Formen der Gewalt (physische, verbale, psychische und soziale Gewalt). Die sexuelle Gewalt spielt ebenfalls eine Rolle, die im sozialen Umfeld und in der Öffentlichkeit eine Bedrohung darstellt. Durch die Sensibilisierung für verschiedene Gewaltsituationen und deren Opfer lernen die Kinder sich angemessen zu behaupten, sich verantwortlich zu fühlen für andere Menschen und Konfliktlösungen zu finden.
In Rollenspielen und Übungen, die sich an der Erlebnis- und Erfahrungswelt der Kinder orientieren, werden bestimmte Situationen nachgespielt;Im Anschluss wird das Spiel gemeinsam in der Reflexionsrunde besprochen und das Ziel erarbeitet. Erfahrungen der Schüler werden miteinbezogen und vergrößern somit den Bezug zum Alltag der Kinder.
„aufgschaut“ wird im Klassenverband durchgeführt. Das bedeutet, dass ganz speziell auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten der jeweiligen Klasse und Schüler eingegangen werden kann.
Die Ziele von „aufgschaut“
Die Klassenmitglieder sollen sich vertrauen, sich sicher fühlen, sollen Gewalt in ihren unterschiedlichen Formen erkennen und dagegen steuern, sollen ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiedlichkeiten erkennen und schätzen.
- Stärkung von Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen,
- Stärkung des Gemeinschaftsgefühls,
- Richtiger Umgang mit verbaler, physischer und psychischer Gewalt,
- Sinnvolles Verhalten bei sexueller Gewalt,
- Förderung von Zivilcourage.
Themenbereiche
Die Vermittlung der Verhaltensweisen erfolgt durch ausgesuchte Rollenspiele und Übungen, die auf 5 Themenschwerpunkten basieren.
- Selbstbehauptung: „Ich achte auf mich!“
- Gemeinschaft: „Ich achte auf die anderen!“
- Gewalt: „Konflikte kann ich lösen!“
- Sexueller Missbrauch: „Mein Körper gehört mir!“
- Zivilcourage: „Ich kann Gewalt verhindern!“
Die Themen, und somit auch der Aufbau des Kurses, sind konzentrisch angelegt. Zu Beginn steht der Einzelne im Mittelpunkt, seine Meinung, seine Gefühle bei Grenzverletzungen, seine persönliche Meinung, die auch non-konform zur Gruppe sein darf. Die Gemeinschaft ist der nächste Schritt. Hier müssen bestimmte Aufgaben und Herausforderungen gemeinsam bewältigt werden, die durch Kommunikation und gegenseitiges Helfen gekennzeichnet sind. Hier wird das Thema Vertrauen grundlegend und lösungsrelevant, ebenso wie das Zulassen von Nähe und Distanz.
Innerhalb jeder Gemeinschaft kommt es zu Konflikten. Diese müssen rechtzeitig erkannt und gelöst werden, damit sich keine Gewaltspirale bildet. An dieser Stelle werden Aufmerksamkeit und Empathie gefordert und gefördert, daran anschließend wird proaktives Handeln mit den Kindern in Konfliktsituationen erarbeitet.
Im vierten Abschnitt setzten sich die Kinder mit ihren Gefühlen für ihren Körper, mit seiner Verletzlichkeit und seinen unterschiedlichen Bereichen auseinander. Sie werden darin bestärkt, ihrem Bauchgefühl zu vertrauen und dass nur sie entscheiden, wer sie wo berühren darf. Weder werden Geschichten vom „schwarzen Mann“ erzählt, noch soll den Kindern in irgendeiner Weise Angst gemacht werden. Sie sollen ermutigt werden, freundlich aber bestimmt, für sie unangenehme Berührungen abzuwehren.
Nachdem die Kinder ihre Selbstsicherheit gestärkt haben, sensibel geworden sind für Gewaltsituationen und deren Opfer, sie Verantwortung für die Lösung von Konflikten übernehmen, sind die Grundlagen für zivilcouragiertes Handeln angelegt. Nun geht es noch einmal darum den Schülern zu verdeutlichen, welches Wissen und welche Handlungskompetenzen sie erworben haben.
Nachhaltig
Die durchgeführten Spiele werden auf Flipchart notiert und im Klassenzimmer aufgehängt. Somit kann die Klassenleitung jederzeit bei Problemen auf die jeweiligen Spiele und die erarbeiteten Lösungen verweisen und sie wieder präsent machen. In regelmäßigen Abständen und bei akutem Bedarf werden Teileaspekte im Klassenverband
wiederholt und erneut auf- und bearbeitet. Die meisten weiterführenden Schulen bieten dann „zammgrauft“ an. Dieser Kurs richtet sich an Schüler im Alter von ca. 12 bis 16 Jahren. Die Themen „Antigewalt und Zivilcourage“ begleiten die Schüler also den Großteil ihrer Schullaufbahn.
Ganzheitlich
Ein Langzeiteffekt tritt jedoch nur dann auf, wenn auf vielen verschiedenen unterrichtlichen Ebenen Wiederholungen vorkommen:
- im grundlegenden Unterricht,
- Ethik- und Religionsunterricht,
- Sportunterricht,
- Kunst- und Werkunterricht,
- Musikunterricht.
Dadurch setzten sich die Kinder mit den Inhalten der Spiele und Übungen immer wieder auf unterschiedlicher Weise auseinander:
- kognitiv,
- kreativ gestaltend,
- bewegungsorientiert.